„Dieser dunkle, erdige Klang geht durch Mark und Bein. Er ist samtweich in der Tiefe und hat die strahlende Wärme eines Cellos. Doch auch feinste, fast zerbrechlich wirkende und hoch vibrierende Laute kommen aus dem trapezförmigen Holzkasten mit dem geschnitzten Pferdekopf am Halsende. Es ist unglaublich, was Enkh Jargal aus den zwei Saiten seiner mongolischen Pferdekopfgeige (Morin Hoor) hervorlockt. So beginnt der zweite Teil des Abschlusskonzertes des Schwarzwald Musikfestivals mit Gänsehaut, Faszination und Begeisterung über einen spielfreudigen, lächelnden, in sich gekehrten Solisten.
Gänzlich in seinen Bann zieht der Weltmusiker die Zuhörer mit seiner über fünf Oktaven reichenden Stimme, die er bei der Uraufführung seiner Komposition "Bayan Ölgii" für Solo-Stimme und Orchester zum Einsatz bringt. Abgrundtiefer Schamanengesang und im nächsten Moment hauchzarter Obertongesang bei völliger Gelassenheit - die Flexibilität des Künstler ist beeindruckend. Geige und Gesang verbindet er auch bei seiner improvisierten Zugabe."
Anita Molnar, Pforzheimer Zeitung
„Enkhjargal wandelt zwischen den Kulturen. Mit seinem Spiel auf der Pferdekopfgeige und der Perfektion seines Gesangs liebt er es, seine traditionellen Wurzeln mit moderner, westlich geprägter Musik und Improvisation zu verschmelzen. So gelingt es ihm schon nach wenigen Takten oder Tönen, dem Publikum den Duft, die Weite und Schönheit der mongolischen Steppe vor Augen und Ohren zu führen."
aus der Laudatio zum Weltmusik Preis, Creole-Preisträger Baden-Württemberg
Die Pferdekopfgeige untermalt seit Jahrhunderten die Einsamkeit der mongolischen Steppe. Das Nationalinstrument soll auf ein geflügeltes Pferd zurückgehen, mit dem ein berühmter Sänger jede Nacht seine Geliebte aufsuchte.
Enkh Jargal Dandarvaanchig (47) ist der wohl bekannteste mongolische Sänger und Pferdekopfgeiger. Er stammt aus einer Nomadenfamilie und wuchs in der Taiga der Nordmongolei auf. Der große Meister des trapezförmigen Holzkastens mit zwei Saiten und Pferdekopf kennt die Freiheit der Steppe – er zog mit einen Eltern und einer Herde Kühe und Pferde quer durch das Land. Als Enkh Jargal zwölf Jahre alt war, entdeckte eine Abordnung mongolischer Musiker sein Talent:
"Die haben 60 Kinder geprüft, ungefähr 60 oder 70 Kinder, die haben auf dem Klavier mitsingen gelassen, und Rhythmus mit Stock und Glas. Das waren die zwei Prüfungs-Auswählearten."
Enkh Jargal ist einer von drei Jungen, die ausgewählt wurden. Dieser Tag verändert sein Leben: Er verlässt seine Familie, die Herde, die Stille der Steppe – und landet in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator.
"Plötzlich waren wir in einem Musikinternat. Da waren viele Kinder, da war überhaupt keine Zeit für Einsamkeit. Viel Hausaufgaben machen."
Die Ausbildung im staatlichen Musikinternat dauert sieben Jahre. Er studiert Mozart, Bach, Beethoven – und natürlich mongolische Volksmusik: die Pferdekopfgeige und die geheimnisvolle Kunst des Unter- und Obertongesangs.
Noch während seiner Schulzeit tritt Enkh Jargal mit einem Pferdekopfgeigen-Quintett im Staatsfernsehen auf, Tourneen führen ihn durch das ganze Land. Als der "Eiserne Vorhang" fällt, gehört seine Truppe zu den ersten mongolischen Ensembles, die im Westen Konzerte geben: Von 1995 bis 1997 tourt er durch ganz Europa und findet Zugang zur sogenannten
Weltmusik-Szene. Schnell knüpft er Kontakte, wird Gastmusiker in internationalen Ensembles. In dieser Zeit explodiert sein musikalisches Vokabular: Er experimentiert mit HipHop und Jazz, verschmilzt mongolischen Obertongesang mit persischer Santur, improvisiert zu den Klängen Johann Sebastian Bachs.
Heute tourt Enkh Jargal Solo und in verscheidenden Formationen regelmäßig durch Deutschland, Frankreich und die USA. Seiner Heimat ist er dennoch treu geblieben: jedes Jahr verbringt er ein bis zwei Monate in der Mongolei. Bei aller musikalischen Offenheit hat er nie vergessen, dass die Quelle seiner Kunst in der Mongolei liegt – in den Klängen der mongolischen Steppe.
Mongolische Volksmusik ist häufig inspiriert von den Geräuschen der Steppe, von galoppierenden Pferden, rauschenden Bächen, tosenden Winden – und der Stille. Mit leuchtenden Augen erklärt Enkh Jargal die Geheimnisse seiner Klangkunst: Anders als westliche Musik folgen mongolische Lieder keinem festen Rhythmus.
"Das ist wie Du Dir vorstellen kannst, ein im Zaum lebendes Pferd - oder ein Pferd, das noch nie im Zaum gelebt hat. Das mongolische Pferd wäre natürlich gesungen bis zum Himmel. Freiheit, Freiheit bis zum Himmel. Und eure Pferde, andere Länder, Pferde sind immer im Zaum, deshalb so ganz andere Gefühle. Deshalb hier muss man mehr mit Rhythmen, mit den Takten, musikalisch gesehen 'im Takt bleiben'. In der mongolischen Musik gibt es keinen Takt. Deshalb dieses Freiheitsgefühl... "
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